Zwischen Jazz, Kunst und Küche
- Rüdiger Gottschalk

- 7. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Nov.
Das 25hours am Gare du Nord Paris
Paris ist eine Stadt, die nie aufhört, sich selbst neu zu erzählen. Am Gare du Nord, wo täglich Hunderttausende Menschen ankommen, steht ein Hotel, das diese Vielfalt in sich aufnimmt wie ein Spiegel: das 25hours Terminus Nord. Es ist kein klassisches Businesshotel, keine mondäne Adresse für Konferenzgäste, sondern ein Ort, der den Puls des Viertels schlägt.
Im Zentrum steht das Restaurant Neni, ein kulinarisches Kaleidoskop. Persische, arabische, marokkanische und israelische Aromen verbinden sich mit mediterranen und sogar mitteleuropäischen Einflüssen. Haya Molcho, gebürtige Israelin und in Wien zuhause, hat das Konzept geprägt. Sie gilt als eine der kreativsten Stimmen der internationalen Küche und hat es verstanden, Geschmack als Sprache zu begreifen. Wie Paris selbst, kennt Neni keine Grenzen, sondern nur Neugier.
Wer das Hotel betritt, taucht in eine Welt ein, in der Essen, Design und Kunst ein einziges Narrativ bilden. Farben, Stoffe und Gerüche scheinen sich miteinander zu verbinden. Hierbei spielt afrikanische Kunst eine zentrale Rolle. Masken aus alten Kanistern, recycelte Materialien, Textilien mit Symbolkraft. Es ist ein Bekenntnis zur globalen Kreativität, die im 25hours Hotel nicht museal inszeniert, sondern lebendig integriert ist.
In Zimmer 426 hängt ein großformatiges Plakat mit dem Titel „The 25 Hours Express to Kottywood“. Der tamilische Künstler Sushant Sandal hat es gestaltet. Es ist eine ironische Hommage an die vielen Tamilen, die rund um den Gare du Nord leben. Auf Regalen stehen Figuren aus Ghana, die Clonettes, bunte Archetypen afrikanischer Handwerkskunst. Nichts wirkt hier beliebig. Jedes Detail erzählt von Migration, Musik und Metropolen.
Die Sape-Bar setzt diese Sprache fort. Hier mischen sich Jazz und Disco, Afrobeat und Funk. Miriam Makeba, Kool & The Gang, Village People – ihre Plattencover zieren die Wände wie ein Soundtrack des Lebensgefühls. Mittags trifft man sich im Neni, nachmittags wird der Barbereich zum Co-Working-Space mit Blick auf die monumentale Glasfassade des Bahnhofs. Der Gare du Nord, 1846 eröffnet, ist der größte Bahnhof Europas. Über 600.000 Reisende strömen täglich durch seine Hallen, viele von ihnen weiter mit dem Eurostar nach Brüssel oder London.
Wer das Hotel verlässt, findet sich sofort im Zentrum der Pariser Mobilität wieder. Taxis, Busse und die Métro findet man buchstäblich vor der Tür. Und wer sich treiben lässt, landet irgendwann in der Fondation Louis Vuitton, wo zuletzt die Ausstellung „Pop Forever“ zu sehen war. Sie zeigte Werke von Tom Wesselmann, dessen leuchtende Farben und klare Formen eine sinnliche Hommage an die Ära der Pop Art waren – neben Warhol und Lichtenstein, doch mit einer eigenen Note.
Zurück in der Stadt drängt sich das Leben mit ungebremster Intensität. Paris verlangt Aufmerksamkeit. Der Louvre mit seiner „Mona Lisa“, das Musée d’Orsay, die Gassen von Le Marais, die Bistros am Montmartre, das historische Pigalle mit seinen Erinnerungen an Toulouse-Lautrec und Utrillo – sie alle sind Teil dieses endlosen Spektakels.
Und dann ist da noch die Porte de Clignancourt. Der Marché aux Puces, der berühmte Floh- und Antikmarkt von Saint-Ouen, ist ein Mikrokosmos der Stadt: Designerstücke neben Trödel, gefälschte Handtaschen neben echter Kunst. Händler preisen ihre Ware mit Charme und Geduld an, Besucher stöbern zwischen Nostalgie und Überfluss. Es ist ein Ort, an dem sich die Gegensätze von Paris verdichten – arm und reich, alt und neu, echt und inszeniert.
Vielleicht ist das das Geheimnis dieses Hotels am Gare du Nord: Es spiegelt das, was Paris so unwiderstehlich macht – die Unmöglichkeit, alles zu begreifen, und die Lust, es trotzdem zu versuchen.
A bientôt Paris!




















